Stuttgart. Als der Sportwagenhersteller Porsche am Montag eine neue Partnerschaft für das deutsche Fed Cup-Team bekanntgab, da standen eine Menge Männer in dunklen Anzügen im Licht der Scheinwerfer. Es schien, als sei die Partnerschaft in der kühlen Businesswelt dieser Männer entstanden, in Konferenzsälen der Vorstandsetage, in Genossenschaft der Bosse. Doch in Wahrheit wurde der Deal höchstmaßgeblich von der Frau ausgeheckt, die neben den Teamspielerinnen auch auf diesen Fotos in die Kameras lächelte, von der Fed Cup-Chefin Barbara Rittner und von einigen Freunden, die zu ihrem sehr weitgespannten und sehr einflußreichen Netzwerk gehören.
„Ich kämpfe an allen Fronten für das deutsche Damentennis“, sagt Rittner, die in diesem Fall ganz zuletzt auch auf besondere Fürsprache des SPD-Häuptlings und Tennisfreundes Sigmar Gabriel zählen konnte. Bei einem Besuch des Fed Cup und des Porsche Cup im letzten April hatte der oberste Sozialdemokrat die Automanager freundlich, aber auch bestimmt gebeten, doch ruhig ein wenig mehr zu investieren ins deutsche Fräuleinwunder und in die Nachwuchsarbeit. Man wundert sich immer wieder, wen die 38-jährige Leverkusenerin, die Architektin des deutschen Tennis-Aufschwungs, so alles kennt und irgendwie bei Problemfällchen aus dem Hut zaubert. Gabriel zum Beispiel, den traf sie einst bei Ex Fed Cup-lenker Klaus Hofsäss in dessen Akademie auf den Berghöhen um Marbella, der SPD-Mann war für eine Trainingswoche da. Seitdem hält man Kontakt, schätzt sich, hilft sich auch, wo es geht.
Wer Rittner, wie unlängst bei den Australian Open, knapp zwei Wochen beobachtet, bei ihren Missionen rund um die Centre Courts und abseits davon, erlebt eine Frau, die jeden und alles in dieser Tenniswelt kennt, die mit den Großen der Branche auf Du und Du ist, aber auch die Figuren, die sich erst noch nach vorne drängen müssen, genau im Auge entgeht. Das, was der smarte Fußball-Berufsspieler Thomas Helmer einmal für sich in Anspruch genommen hat auf dem Feld und in seiner Leaderrolle im Team – „Mir entgeht nichts“-, trifft vollumfänglich auch auf die Leiterin der deutschen Damenauswahl zu, jene Barbara Rittner, die 1993 selbst einmal vor der ganz großen Karriere zu stehen schien, als sie das Juniorenturnier in Wimbledon gewann. Als Solistin machte sie zwar nicht schillernd von sich reden im Wanderzirkus, gewann zwei Turniere, rutschte einmal bis auf Platz 24 der Weltrangliste vor. Aber als Teamspielerin, als starke Kraft im Kollektiv, war sie schon damals gefragt, siegte 1992 an der Seite von Anke Huber und Steffi Graf im Fed Cup.
Als Spielerin war Rittner eine Kämpferin, die aus ihren Möglichkeiten das Maximale herausholte, die Größere und Stärkere mit kluger Strategie und auch Psychospielchen zermürben konnte. Als stärkstes Tenniserlebnis hat sich ihr der Sieg 1996 gegen die umschwärmte französische Lokalmatadorin Mary Pierce eingeprägt, auf dem vollen Centre Court von Roland Garros in Paris: „Das war d e r Glücksmoment überhaupt.“ Schon damals hätte man sich denken können, dass die hellwache Rheinländerin einmal die Idealbesetzung für eine Leitungsrolle sein würde – als Anführererin eines jungen, aufwärtsstrebenden Teams. Als eine Art „Mutter der Kompanie“, die sich in einem 24-Stunden-Job an praktisch 365 Tagen um ihre Schützlinge kümmert – als Seelentrösterin, als Kummerkasten, aber auch als ebenso sanfte wie strenge Erzieherin. „Wenn ich etwas mache, dann richtig. Und zu meinen Bedingungen“, sagt Rittner.
Als sie vor sieben Jahren als Chefbeauftragte fürs Damentennis begann, als Fed Cup-Chefin und Talentfördererin, verwaltete sie die traurigen Überreste goldener deutscher Centre Court-Zeiten. Steffi Graf und Anke Huber, zwei wichtige Freundinnen auch in ihrem Netzwerk, waren abgetreten, aber Nachfolgerinnen weit und breit nicht in Sicht. Hinter den Kulissen begann auch ihre Aufbauarbeit, die Geduldsanstrengung, der lange, lange Marsch aus dem Tränental heraus. Mit Anna-Lena Grönefeld kam vorübergehend die Hoffnung auf neuen Tennisglanz, doch die Geschichte endete im Desaster, weil die Nordhornerin im Terror-Regime ihres umstrittenen Coaches Font De Mara zerbrach. Auch Rittner stand mittendrin im Tumult, der Spanier ließ sie sogar beschatten und führte Protokoll über Kontakte zu Journalisten. „Man darf nicht zimperlich sein in diesem Job, aber das damals, das hat echt Nerven gekostet“, sagt Rittner.
Mit Andrea Petkovic, Sabine Lisicki, Julia Görges, Angelique Kerber und Mona Barthel hat sie nun gleich fünf Spitzenspielerinnen in den Top 40 stehen. Es ist das Verdienst der persönlichen Trainer, aber unbedingt auch das von Rittner selbst – dazu muss man nur im Auge behalten, wie sehr diese erfolgreichen Tennisfräuleins bei den wichtigen Grand Slam-Wettbewerben auf den Ratschlag und das persönliche Gespräch mit ihrer Rädels- und Rudelführerin zählen. Wie sehr sie im allerletzten Zweifelsfall den Weg zu ihr suchen, auf Tipps der ehemaligen Profispielerin bauen, auf ihre Beobachtungsgabe der Gegnerinnen. „Bei den Grand Slams ist jetzt richtig gut was los“, sagt Rittner, die in der ersten Zeit ihrer Arbeit beim DTB noch wegen Geldmangels nach einer Grand Slam-Woche abreisen musste. Undenkbar heute, da fast immer eine aus ihrem Mädelstrupp bis in die entscheidenden Turnierrunden vorstösst.
Rittner kennt alle. Und jeder kennt und anerkennt sie in der Branche. „Der Respekt vor ihrer Arbeit ist sehr groß“, sagt die Australierin Rennae Stubbs, eine der führenden Doppelspielerinnen der letzten beiden Jahrzehnte. Die Wertschätzung hat nicht nur mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen, sondern auch der Art und Weise zu tun, wie der Weg zum Ziel führt. Die 38-jährige Leverkuserin ist zwar auch eine ausgleichende Moderatorin und sensible Beraterin. Doch dass sie in dem verminten Terrain dieses meist eiskalten Geschäfts nicht vor klarsten Worten zurückschreckt und auch die Konfrontation mit Zeitgenossen nicht scheut, die Nein-Sager sonst nicht gewohnt sind, das rechnen ihr Freunde und Weggefährten hoch an. „Wenn man etwas für recht hält, dann muss man es auch tun“, nach diesem Lebensmotto von Hermann Hesse lebt sie. Und tut dem deutschen Tennis gut.
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